nun ist es vorbracht. Mein 4x4 Sprinter-Umbau hat die Weihen des Technischen Überwachungsverein bekommen und ich betrachte das Projekt als abgeschlossen, wohl wissend, dass es das nie ist.
Ich möchte durch mein kurzes Fazit nach nunmehr fast zwei Jahren Planung und Ausführung meine Erfahrungen dem Schwarmwissen übergeben. Auf keinen Fall um Andere davon abzuhalten, ganz im Gegenteil! Denn, wenn man mich fragt ob ich es nochmal beginnen würde, könnte ich es sofort bejahen. Ich liebe das Fahrzeug in der Kombi mit dem Koffer und dem jetzigen Fahrwerk und der guten Ausstattung - einfach goooil

Auch wenn mein Kumpel sagt: „Alles nur wegen des einen Schalters?“. Er meint den Taster zum Zuschalten der Vorderachse (die Sperre hinten hatte ich schon). Ja genau dafür!!
Über Sinn oder Unsinn brauchen wir hier nicht zu diskutieren – ist halt ein Hobby mit Nutzwert.
Zum Fazit: Ich teile das mal in folgende Bereiche ein:
- Idee, Ausrüstung, Werkstatt, Schrauberwissen
- Spendersuche
- Schlachten und Aufbereiten der benötigten 4x4 Teile
- Der eigentliche Umbau
- Unvorhersehbares, bzw. sonstige Arbeiten
- Gewicht
- Geräusche
- Zeit
- Geld
- TüV
Idee, Ausrüstung, Werkstatt, Schrauberwissen
Flausen habe ich viele im Kopf, zur Umsetzung kommen jedoch zum Glück meiner Umgebung wenige. Dennoch wachsen einige Ideen weiter und ich fange an diese auf Umsetzbarkeit mit meinen Möglichkeiten zu checken. Fakt ist, man(n) braucht ein trockenes Plätzchen, wo die Fahrzeuge (evtl. Spender und Empfänger gleichzeitig) auch über Tage und Wochen stehen bleiben können. Eine gut ausgestattete Werkstattkiste mit z.B. einem 3/4 Zoll Knarrenkasten und einigen Spezialnüssen sowie den üblichen Schrauber-Tools. Einiges habe ich dazukaufen müssen. Eine Hebebühne (für 3,5 Tonnen) habe ich nicht, dafür zwei ordentliche Wagenheber, vier 10 Tonnen Böcke, ein Rollbrett, einen Motorkran und einen Hubwagen für Palletten. Ohne schon mal an Fahrzeugen geschraubt zu haben sollte man ein solches Projekt ohne Begleitung eines Kundigen nicht beginnen. Dazu sind die Aufgaben zu vielfältig. Es ist allerdings auch keine Raketenwissenschaft, sondern mittelschwerer Maschinenbau. Mit etwas Erfahrung und einem guten Netzwerk (inkl. diesem hervorragendem Forum) kann mit Ruhe und Sorgfalt das Projekt erledigt werden. Ein paar Kumpels, die auf eine Tasse Bier zum Anfassen Zeit haben, sind auch von Vorteil. Die bewegten Gewichte sind nicht zu unterschätzen.
Spendersuche
Ich habe fast ein Jahr nach einem geeigneten Spender gesucht. Zuerst wollte ich nur einen Iglhaut –na klar – Verfügbarkeit und Preise ließen mich schnell umdenken. Also ein Werksallrad von Oberaigner – der ist am häufigsten anzufinden und hat den Vorteil der Ersatzteilbeschaffung beim Freundlichen.
Ich würde immer wieder auf folgendes Wert legen:
- gleicher Radstand (Leitungs- und Wellenlängen)
- gleiche Motorleistung (war dem TüV wichtig – auch wenn sich die Teile nicht unterscheiden)
- gleiche oder besserer Schadstoffklasse (TüV)
- immer mit Papiere (Ersatzteilbeschaffung, Nachweise für den TüV)
- passende, bzw. ausreichend lange Achsübersetzung zum Reisen (da Womo)
Es ist schon spannend bis traurig, auf wie viele Projektabbrüche mit gleicher Idee eines Umbaus ich gestoßen bin. Von Überforderung über Fehleinschätzung insb. beim Einsatz von Zeit und Geld, bis hin zu einschneidende Lebensumstände (Job- oder Partnerverlust, Krankheiten, Halle wurde gekündigt,…). Ich habe diverse Telefonate geführt und mir insgesamt sechs Fahrzeuge sowie einen Teilehaufen angeschaut. Bei zwei Fahrzeugen war eine Probefahrt möglich. Letztendlich ist es immer auch Vertrauenssache und Baugefühl. Entschieden habe ich mich für den Teilehaufen. Der Verkäufer und sein Schwiegersohn haben das Spenderfahrzeug Probe gefahren und anschließend zerlegt. Er waren alle (!) Teile dabei, jeder Schraube, der komplette Kabelbaum mit allen Schaltern, Relais, Halter, Steuergeräten, alle Teile für die Hydraulik und Pneumatik, die Papiere sowie technische Unterlagen. Ich hatte ein gutes Gefühl und der Umstand, das FZ schon zerlegt war kam mir vor Allem aus Platzgründen entgegen. Ein Restrisiko war natürlich da.
Schlachten und Aufbereiten der benötigten 4x4
Gut, schlachten brauchte ich nun nicht. Dieser Teil braucht aber einen nicht zu unterschätzen Zeit- und Platzanteil. Meistens sind die Fahrzeuge am wirtschaftlichen Lebensende und im entsprechendem Zustand, was das Zerlegen erschwert. Ferner müssen das Fahrzeug selbst und die dann abgebauten Teile gelagert werden. Am Ende dann den Rest entsorgen, bzw. noch brauchbare Teile behalten oder verkaufen. Ich habe auch schon gehört, dass einige in den Spender die 4x2 Teile eingebaut und dann als komplettes FZ verkauft haben – puh.
Ich habe mich entschlossen, alle Teile vor dem Einbau zu überholen. Besser kommt man an die Teile nie wieder ran und ich wollte eine möglichst lange Zeit Ruhe vor Folgearbeiten haben. So habe ich alle Verschleißteile getauscht, auch wenn sie noch „Guthaben“ hatten. An beiden Achsen habe ich die, Radlager, Ankerbleche(HA), die kompl. Bremse mit den Zügen (HA) und Stahlflexleitungen getauscht. Öl und einen konservierenden Anstrich mit einem Chassislack sowieso. Neue Blattfedern, Stoßdämpfer, Querlenker (VA),.. Neue Antriebwellen, eine homokinetische Welle zwischen Getriebe und Verteilergetriebe. Die anderen Wellen habe ich aufbereiten lassen. Hier war sicher nicht alles nötig.
Der eigentliche Umbau
Der Umbau der Teile am Fahrzeug selbst, also das Ab- und Anbauen der Achsen, geht schon fast enttäuschend schnell und war bei mir auf Grund der aufbereiteten Teile recht unspektakulär. Ich habe den Umbau in drei Abschnitte durchgeführt, zwischen denen einige Wochen/Monate lagen: Hinterachse und Tank; Vorderachsaggregat; Verteilergetriebe mit Wellen.
Unvorhersehbares, bzw. sonstige Arbeiten
Ein großer Teil der Arbeiten war die Restaurierung der Blechsubstanz. Nie wieder kommt so gut an die Blechteile unterm FZ dran. Es ist ja alles abgebaut und man kann die Blechteile von Grund auf konservieren oder ggf ersetzen. Herrlich! Man(n) darf sich aber dennoch nicht zu einer Komplettrestauration hinreißen lassen – da kommt man schnell vom Hundertsteil zum Tausendstel….
Sind die Teile wieder eingebaut, dann schleift was, bei mir zickte ein Raddrehzahlsensor rum, die Bördelung der neuen Bremsleitungen machte mich wahnsinnig, da musste erst neues Werkzeug her, die Programmierung auf die neuen Teile mit der anderen Übersetzung klappte erst beim dritten Mal, genau der Simmerring, den man nicht getauscht hat, leckt, ein nerviges Brummen hier, ein neues Klappern da, und, und, und…. Da macht man sich sehr viele Gedanken über den eigentlichen Umbau, letztendlich ist es der Kleinkram und die Rückschläge, die einen schlecht schlafen lassen. „Der Teufel ist ein Eichhörnchen!“ sagte meine Oma immer. Hier gilt es Ruhe zu bewahren und durchzuhalten. Da sind die Kumpels, die einen aus der emotionalen Ecke holen, auch sehr wichtig. Nach einer Bratwurst und einem Bier mit sondierendem Gespräch, sieht die Welt schon gleich viel besser aus. Dennoch, zu keiner Zeit ist man näher an einem Projektabbruch als bei den Rückschlägen – also aufstehen, Krönchen richten und weiter….
Gewicht
Ja, die Dreieinhalbtonnengrenze!
Ich habe alles gewogen, was ich aus- und eingebaut habe und mir vorgenommen, dass so gut wie möglich auszugleichen.
Alles in Allem habe ich 136kg ins FZ geschraubt:
VTG inkl. Halter + 30,4kg
Tank +- 0kg
VA Differenzial + 54,1kg
Mehrgewicht Vorderachsaggregat + 28,5kg
Kardan-/Antriebswellen + 23,3kg
Zwischensumme +136,3kg
Ausgebaut, bzw. weggelassen:
Reserverad - 31,5kg
Hubstützen inkl. Halter - 14,8kg
AHK - 21,0kg
LiFiPo statt AGM - 37,0kg
Zwischensumme -104,3kg
Zur Leergewichtsmessung habe ich das komplette Fahrzeug leergeräumt. Alles raus, wirklich Alles!! Im Anschluss mit meiner Frau nur die Sachen eingeräumt, die wir in der letzten Saison auch tätsächlich gebraucht haben, inkl. dem Ausmisten der Werkzeug- und Ersatzteilkiste sind 26kg nicht wieder ins FZ gekommen.
Auf der Waage wog das leere Womo mit (fast) vollem Wasser- und Dieseltank sowie den 75kg der Fahrerin: 2.990 kg
Somit sollte nach dem Einräumen die 3,5 Tonnen Grenze zu halten sein.
Geräusche
Es ist schon zu merken und zu hören, dass sich unter einem jetzt mehr Wellen drehen. Zudem ist der Halter vom Verteilergetriebe direkt unter den Sitzen an die Karosse geschraubt. Ich hatte einige Vibrationen , die sich in Form von einem Brummen äusserten. Nach dem Messen und Einstellen (U-Scheiben) der Winkel an den Kardanflanschen sowie einer Anpassung der Mittellagerunterlage und einer Nachbesserung des Wellenbauers ging es dann. Ist halt ein rauer Geselle, der Allradsprinter der erste Generation. Verbessert hat sich durch die Erneuerung des Fahrwerks die allgemeine Geräuschkulisse. Kein Wunder nach dem Tausch aller relevanten Fahrwerksteile. Ich bin insgesamt zufrieden.
Zeit
Ich habe ein ca. Jahr einen Spender auf den üblichen Portalen gesucht und ein Jahr geschraubt (von Ostern bis Ostern).
Das Schrauben geht sicher schneller, uns war aber im Sommer die Fahrbarkeit des Womos wichtig. Somit habe ich zwischen den Abschnitten (HA, VA, VTG) immer wieder die Fahrbarkeit hergestellt. So konnten wir mit dem Womo in den Urlaub und die eingebauten Teile konnten abschnittsweise getestet werden.
Ich habe keine Zeiterfassung in der Werkstatt, aber hier mal eine überschlägige Schätzung:
Ostern23: 10 Tage á 10 Stunden
Herbst 23: 7 Tage á 10 Stunden
Ostern 24: 9 Tage á 10 Stunden
Ca. 15 Wochenenden á 15 Stunden
Summe (dicker Daumen): 485 Stunden in der Werkstatt, das entspricht ca. 12 Arbeitswochen in Vollzeit. Das geht sicher mit etwas mehr Nutzfahrzeugerfahrung und ohne den Wunsch nach Fahrbarkeit auch schneller…..
Zeiten zur Recherche und zum Teile „jagen“ sind nicht mit eingerechnet.
Geld
Ich zähl mal auf:
Spender : 4.700,-
Neuteile von MB: 1.800,-
Alle Wellen neu/überholt: 2.900,-
Stoßdämpfer/Blattfedern: 1.650,-
Teile und Öle vom freien Dealer: 1.800,-
Farbe, Korrosionsschutz, etc.: 700,-
24 Kisten Werkstatt-Bier: 360,-
TÜV, Umschreiben, etc. 400,-
Summe: ca. 14.000 Euro
Für uns Milchmädchen zum Schönrechnen:
Verkauf von übriggebliebenen Teilen, z. B HA, VA : 2.000,- (Hälfte ist schon erreicht)
Sowiesokosten, also die Kosten, die auch im 4x2 angefallen wären, wie Bremse, Öle, Korrosionsschutz: 2.500,-
Bleibt 9.500,- inkl. Spender
Ich habe mich immer für die vermeintlich hochwertigste Lösung entschieden und ich habe auch Teile gewechselt, die noch für einige Zeit funktioniert hätten. Da behaupte ich, liegen locker noch ein Tausender drin.
Somit hätte, hätte, hätte (Steuerkette) man das Projekt auch für 8.000,- bis 8.500,- realisieren können.
TüV
Wichtig, Wichtig, Wichtig: Schon beim ersten Gedanken mit einem geneigten TüV (Dekra/GTÜ/ etc.)-Prüfer sprechen. Betonung auf geneigt. Er/Sie/Es sollte die Ahnung und Traute haben, das Projekt wohlwollend zu begleiten. Ist das nicht gegeben, weitersuchen!! Sprecht mit ihm/ihr auch die Zwischenschritte ab und geht offen mit den Themen um. Ich habe einen Prüfer, den ich schon länger kenne, weil ich über Jahre mit meinen Motorrädern, Oldtimern, Alltagsautos und sonstigen Projekten bei ihm auftauche. Er kann mich einschätzen und kennt meine Arbeit. Ein echter Vorteil.
Dennoch war ihm wichtig: Gleiche Motorleistung beim Spender, gleiche Schadstoffklasse. Anbauteile, wie Zusatzfedern, Stahlflex-Bremsleitungen nur mit Gutachten für den 4x4. Keine relevante Korrosion an Karosse und Schrauben. Nach 2 Stunden in der Prüfhalle mit anschließender Probefahrt und Papierkram bin ich als glücklicher und ein bisschen stolzer Mensch nach Hause gefahren.
Ab dem 3. Juli beginnt die Probefahrt zum Nordkapp....
Habe fertig – prost!