Nein, man muss nicht dazu geboren sein. Manchmal zwingt einen das Leben dazu.
Ich bin seit 1972 immer zu Zweit, zuerst mit Freundin und später mit Frau, im Reisemobil unterwegs — bis 2014 meine Frau an Krebs verstarb. Dann bin ich noch im gleichen Jahr alleine los gefahren und habe einige unserer Lieblingsgegenden abgefahren. Ja, es ist eine ganz andere Art zu reisen, alleine unterwegs zu sein.
Tagsüber während der Fahrt ist es noch recht gut erträglich. Allerdings vermisse ich schon das "oh guck mal da!" oder "hast Du das gesehen?", weniger aber "halt mal an, ich will das fotografieren" an unmöglichen Stellen.
Aber abends, da fehlt mir dann doch das gemütliche Zusammensitzen und das Revuepassierenlassen des Tages mit dem Austausch über das Gesehene und Erlebte. Ein Glas Wein schmeckt auch besser in Gesellschaft.
Aus diesem Grunde habe ich mir vorgenommen, eine Reise pro Jahr in einer Gemeinschaft zu machen — unabhängig davon dass ich ein paar weitere Reisen dann auch zunehmend gerne alleine organisiere und fahre. Diese organisierten Reisen haben den Vorteil, dass man individuell seine Tagesrouten einteilen kann, weil man nicht im Konvoi fährt. Man kann morgens losfahren, wann man will, man kann die kürzeste oder eine längere Route nehmen, man kann dort anhalten, wo man will; nur abends sollte man bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt am vorgebuchten Platz sein, oder man meldet sich ab. Zusätzlich kann man an gemeinsamen Ausflügen oder Besichtigungen oder gemeinsamen Essen teilnehmen - muss aber nicht.
Der große Vorteil so einer organisierten Reise ist, dass man einen sehr guten Überblick über Land und Leute bekommt, was man in der Kürze der Zeit alleine nur mit sehr großem Aufwand hätte organisieren können. Eine wunderbare Gelegenheit, diese Erfahrungen dann in einer späteren, selbstorganisierten Reise zu vertiefen. Oder aber man bekommt Einblicke in ein Land, in dem man schon x Mal gereist ist, aber das Eine oder Andere noch nicht entdeckt hatte. Übrigens, es sind immer mindestens ein, meistens mehrere Alleinreisende in so einer Gruppe dabei.
2019 war ein extremes Reisejahr für mich. Im Mai war ich 4 Wochen mit einem Leihmobil in Zentral-Japan und im August und September 8 Wochen alleine in Skandinavien unterwegs. Dort habe ich die Einsamkeit gesucht und genossen. Wenn ich dann mal auf einem Campingplatz war, bin ich nicht mit "überbordendem Sprachbedürfnis" über meine Nachbarn hergefallen, sondern habe erst nach Blickkontakt entschieden, ob ich ein Gespräch, welches über ein "hallo" hinausgeht, anfange oder nicht. Ich kenne auch die von Vagabundo erwähnten Probleme. Meistens wurde ich angesprochen und es ergab dann einen netten Abend. Ob das nur an meinem Rotwein lag ...
Ab Ende November 2019 bin ich dann in den Süden nach Spanien gefahren, habe dort Weihnachten und Silvester verbracht und dann weiter nach Marokko gereist. Dort bin ich dann bis Tarfaya gefahren, in der Hoffnung, die neue Fährverbindung auf die Kanaren nutzen zu können. — War natürlich nix. Aber die Temperaturen dort im Süden taten mir sehr gut! Und ich stand mit 2 weiteren Solofahrern mit unseren 3 Mobilen völlig frei und unbehelligt gute 2 Wochen an der versandeten Strandpromenade. Tja und dann kam Corona und ich bin so schnell es ging Mitte März 2020 noch vor den Restriktionen über Spanien und Frankreich nach Hause gefahren.
Fazit: Alleine reisen ist kein Problem, wenn man sich an zwei Grundsätze hält: Zurückhaltung und Offenheit — in dieser Reihenfolge.